Zumindest eine richtig gute Aufnahme hat
Celine Dion in ihrem Gesangs-Leben gemacht, jene gefürchtete "Titanic"-"My Heart Will Go On"-Titelsong-Absäuferin; damals, im Jahre 1996. Der Song hieß "It's All Coming Back To Me Now", und dass er so diskutabel ist, hat einen gewichtigen Hauptgrund: Der Titel wurde von Jim Steinman geschrieben. Jenem sagenumwobenen, genialen Songwriter, der Meat Loaf zu seinen größten Erfolgen verhalf – mit den beiden Alben "Bat Out Of Hell" (1977) und "Bat Out Of Hell II" (1993). Es dauerte über zehn Jahre, bis dieser Titel nun endlich seine wahre Interpretation und Bestimmung erfährt: In der jetzigen Umsetzung durch Meat Loaf auf seinem neuen Album "Bat Out Of Hell III - The Monster Is Loose".
Die berühmte Fledermaus-Saga ist nun als Trilogie komplettiert. Gerüchte um einen dritten Teil von "Bat" gab es schon länger. Oft waren verwirrende und sich widersprechende Angaben darunter, was die Ausführung der Einspielung anging. Es hieß etwa, Jim Steinman und Meat Loaf hätten sich verkracht, und das Album würde keinerlei Kompositionen Steinmans enthalten. Zudem laboriere er noch an den Folgen eines erlittenen Schlaganfalls, was etwa das Vorlegen gänzlich neuer Lieder unmöglich mache. Die nun vorliegende Kompromiss-Lösung ergibt in ihrer Gesamtheit trotzdem ein mehr als würdiges Ergebnis für den "Bat"-Mythos: Insgesamt sind sechs ältere Steinman-Songs, die bislang andere Künstler interpretierten, erstmals in Meat Loafs Version zu hören.
TRACKLISTE
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The Monster Is Loose
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Blind As A Bat
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It's All Coming Back To Me Now
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Bad For Good
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Cry Over Me
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In The Land Of The Pig, The Butcher Is King
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Monstro
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Alive
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If God Could Talk
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If It Ain't Broke Break It
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What About Love
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Seize The Night
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Future Ain't What It Used to Be
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Cry To Heaven
Für die (bis auf eine Aufnahme) restlichen Tracks und die gesamte Alben-Produktion zeichnet Desmond Child verantwortlich. Als Gastmusiker/Songschreiber verstärken u. a.
Mötley Crües Nikki Sixx,
Queens Brian May und Gitarren-Virtuose
Steve Vai die Studio-Besetzung. Etwaige Befürchtungen (auch von meiner Seite), dass es sich bei "Bat III" um die Zerstörung einer modernen Pop-Legende und die letzte, lieblose Ausschlachtung eines einstigen Erfolgskonzepts handeln könnte, treffen absolut nicht zu. Meat und seine Mitstreiter bieten viel fürs Geld: Satte 14 Tracks auf rund achtzig Minuten Spielzeit, und darunter kein Totalausfall. Stattdessen finden sich in der Fledermaus-Schatzkiste eine stattliche Anzahl hervorragend komponierter und eingespielter Titel – das ist die frohe Kunde für alle Fans.
Kein Zweifel: Die nachtaktive Höllenbrut ist glänzend in der Jetzt-Zeit angekommen. Desmond Childs musikalische Ausstattung funkelt opulent und detailverliebt. Er hält sich an die früheren Vorgaben, ohne dabei nur eine Imitation von Steinmans Produktionsweise zu initiieren. Frische Köpfe, frische Ideen. Im Literaturbereich funktioniert eine ähnliche Vorgehensweise bereits seit längerem. Etwa bei H.P. Lovecrafts düsterem Cthulhu-Mythos, den erfolgreich - und beseelt - jüngere Autoren weiter fortführen. Und vielleicht ist die "Bat"-Saga gar eine Art "Necronomicon" der Rock-Geschichte? Wer weiß.
Mit unheilschwangerem Gitarrensound und von modernen Sound-Effekten unterlegt, kracht die über siebenminütige Erkenntnis "The Monster Is Loose" auf den Hörer los. Es ist wieder frei, das ledrige Ungetüm! Und führt uns an all die fernen und zwielichtigen Endzeit-Orte, die wir aus den Fledermaus-Cover-Illustrationen vergangener Jahrzehnte kennen. "Blind As A Bat" nimmt das Tempo wieder etwas heraus und fällt in die Kategorie "Gehobener Durchschnitt". Das gefühlvoll-verzaubernde "It's All Coming Back To Me Now" markiert den nächsten Alben-Höhepunkt.
Im Duett mit der norwegischen Sängerin Marion Raven greift Meats sehnsüchtig romantische Sänger-Hand unwiderstehlich nach allen Hörer-Herzen. Schnüff! Zu diesem Song kursiert im Net eine interessante Mär: Derzufolge bat Meat zunächst bei Schauspiel-Dream-Queen Scarlett Johansson um Unterstützung als Duett-Partnerin. Diese habe jedoch - immerhin freundlich - abgelehnt. Nun, fortan bemühe ich mich, die anbetungswürdige und göttliche Scarlett für arrogant und undankbar zu halten. Allein ... was für ein Video wäre das geworden!
"Bad For Good" ist Meat Loafs Interpration des Titeltracks von Jim Steinmans einzigem von ihm persönlich eingesungenen Solo-Album aus dem Jahr 1981. Er enthält einen Mix aus vielerlei Song-Elementen, die die bisherigen "Bat"- Platten auszeichnen. Schräge Rock-Stimmung mit kräftigem Gitarren-Sound bietet "In The Land Of The Pig, The Butcher Is King". Stimmlich zeigt sich Meat über volle Albenlänge hinweg in großartiger Verfassung. In jedem Titel ist spürbar, dass der Künstler sämtliches nach all den Karriere-Jahrzehnten noch vorhandene (stimmliche) Herzblut in die Musik hineinlegt. Und das ist eine ganze Menge.
"Alive" dampft als ein okayes, ordentliches Uptempo-Zwischenspiel mitsamt allen heiß geliebten Meat-Zutaten. Mit "If It Ain't Broke Break It" gibt Meat Loaf dann erneut dem Rock-Affen wieder kräftig Zucker. Krachiger Heavy-Sound, unterlegt von treibenden, knackigen Beats, putzt die Gehörgänge. Funktioniert prächtig, wirkt niemals überspannt, und wie kaum sonst auf dem Rest-Album werden hier die Gitarren malträtiert. Damit biegt "Bat III" allmählich auf die die letzten großen Höhepunkte ein. "What About Love" nimmt im Gegensatz zum vorherigen Song wieder Dampf heraus und überzeugt als verspielt-versierter Poprock-Bonbon mit druckvollen Tempowechseln. Gastsängerin ist hier eine altbekannte Meat-Freundin: Patti Russo.
"Seize The Night", drittletzter Titel der CD, ist fraglos ein besonderes Highlight und zählt klar zu den stärksten Tracks. Verantwortlich natürlich: Steinman. Er schrieb dieses Lied ursprünglich für das Musical "Tanz der Vampire", doch erst Meat und seine Mitstreiter verpassen dem Song das ihm tatsächlich zustehende, geheimnisvoll-romantische Nacht-Gewand. Länge: Exakt 9 Minuten 46 Sekunden, und doch beschleicht mich nach Song-Ende das traurige Gefühl: "Wie, schon vorbei?".
Eigentlich besteht "Seize The Night" aus rund drei Songs in einem, und gegen Ende des Schlussviertels vermeine ich sogar verbeugende Referenzen an die "Morgenstimmung" des großen Klassik-Komponisten Edvard Grieg zu erkennen. Alle Zutaten sind effektvoll miteinander in ein großes Ganzes verwoben. Gänsehautgarantie! Mehr großartiger und berührender Kitsch geht eigentlich gar nicht. "Come With Me And Bless The Night/Let The Darkness Be Your Salvation/Leave The Day and Lose the Light/No Taboos Only New Sensations" – Ah! Selten verführten Sound-Vampire sehnsüchtiger; selten boten sich Hörer-Hälse (und Ohren natürlich) williger düster-lockenden Stimmen aus den Lautsprecher-Boxen.
"The Future Ain't What Used To Be" gleitet zu Beginn gefährlich am Ufer belangloser Pop-Nichtigkeiten entlang und bekommt jedoch mit zunehmender Spieldauer überzeugend die Kurve. Das liegt in erster Linie am starken Refrain, Meats Stimmarbeit und Duettpartnerin Jennifer Hudson und ihren kräftigen Soul- und Gospel-Einlagen. Doch dann streift die Morgendämmerung allmählich in die Fledermausnacht, und die Zeit des Alben-Abschieds ist gekommen. "Cry To Heaven", natürlich, wie wahr. In dem nur 2:22 Minuten langen Abgesang verzichtet Meat auf allen Bombast und intoniert das Ende fast wie ein tröstliches Schlaflied, von stimmigen Flötenspiel-Accessoires ergreifend umrahmt. Verwoben, zerstoben, aus und vorbei. Tatsächlich? Dies ist nun der endgültige Abschluss über mehrere Dekaden "Bat"-Geschichte? Nein, ich will es nicht glauben, und ich werde es nicht hinnehmen; nicht nach diesem fulminanten Album.
Denn: Da sind doch noch mehr Steinman-Songs, die fast vergessen in den Wäldern der Pop- und Rock-Geschichte auf ihre Erlösung durch Meat Loaf warten - zum Beispiel "Making Love Out Of Nothing At All" (Air Supply) und - natürlich! - das grandiose "Total Eclipse Of The Heart" (Bonnie Tyler). Dazu Noten, die bislang noch nie den Weg in irgendein Plattenstudio fanden. Die mythische Reise kann (darf!) einfach noch nicht mit der vorliegenden CD beendet sein. Die Geschichten um Steinmans angeschlagene Gesundheit und die mittlerweile langjährigen Streitigkeiten – was ist davon wirklich richtig und glaubwürdig? Werden wir dürstenden Hörer gar belogen?
Ich persönlich glaube fest daran, dass der Komponist in Wahrheit irgendwo, an einem uns unbekannten Ort, in einer uralten verwunschenen Villa am Rande der Ewigkeit haust. In einem riesigen Saal berührt er zwischen Mitternacht und Morgengrauen die Tasten eines antiken Flügels und ersinnt geheimnisvolle Partituren, die er mit Federkiel und dunkelroter Tusche auf alt-ägyptischem Pergament-Papier niederschreibt. Dann und wann erscheint eine blutjunge, wunderschöne, schwarzhaarige Dienerin in wallendem, schulterfreien Gewande, versorgt den Künstler mit Speis und Trank ... und anderen Dingen.
Ich weiß es genau. Denn manchmal, besonders in stürmischen Nächten, ist es nicht das alte Gebälk in meiner Wohnung, das ein so merkwürdig trockenes Rascheln an mein Ohr dringen lässt. Nein. Es sind die Schwingen der Fledermaus. Sie ist unsterblich. Sie wird zurückkehren. Immer wieder, bis ans Ende aller Zeiten.